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Armutsbestrafung abschaffen

Archiv Linksfraktion - Nachricht,

Schätzungen zufolge müssen 56.000 Menschen pro Jahr wegen Bagatelldelikten ins Gefängnis, weil sie nicht dazu in der Lage sind, die meist durch Strafbefehl verschickten und für sie zu hohen Geldstrafen zu bezahlen. Gleichzeitig dürfen Unternehmen in Deutschland Schäden in Millionenhöhe oder auch Milliardenhöhe anrichten, ohne dafür strafrechtlich belangt zu werden. 

Wir wollen das ändern und mehr Gleichheit im Strafrecht erreichen. Dafür hat die Linksfraktion zwei Gesetzentwürfe und drei Anträge vorgelegt, die der Bundestag am Donnerstag, 26. Januar 2023, berät. Wir fordern, dass die Armutsbestrafung endlich abgeschafft und ein Unternehmensstrafrecht eingeführt wird. 

Gesetzentwurf: Straffreiheit für Fahren ohne Fahrschein!

Bislang wird die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ohne einen gültigen Fahrschein als Straftat geahndet und kann sogar zu Freiheitsstrafen führen. Selbst wenn die Betroffenen in der Regel nur zu Geldstrafen verurteilt werden, kommt es bei Zahlungsunfähigkeit nicht selten doch zur Haft durch die Ersatzfreiheitsstrafe. Die Strafe trifft häufig arme und hilfsbedürftige Menschen und Obdachlose, die sich die Fahrkarte nicht leisten können. Gerade bei armen Menschen hat die Strafandrohung aber auch nicht die gewünschte abschreckende Wirkung, weil die Gelder schlichtweg nicht aufgebracht werden können.

Dabei kommen weder Personen noch Sachen zu Schaden. Der Unrechtsgehalt ist gering, ein besonderer gesellschaftlicher Schaden nicht ersichtlich. Daher ist die Strafandrohung nicht verhältnismäßig und widerspricht der Funktion des Strafrechts als letztes Mittel (Ultima-Ratio-Funktion). Polizei und Justiz und damit auch die Staatskassen würden zudem durch die Entbürokratisierung enorm entlastet. 

Gesetzentwurf: Entkriminalisierung des Containerns von Lebensmitteln!

Allein in Deutschland werden täglich Unmengen an noch verzehrbaren Lebensmitteln vernichtet. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind im Jahr 2022 ungefähr 11 Millionen Tonnen entsorgt worden. Im Einzelhandel wird jedoch die Entsorgung noch genießbarer und unberührter Lebensmittel in Kauf genommen. Die Entnahme noch genießbarer Lebensmittel aus Abfallcontainern von Supermärkten kann gegenwärtig als Diebstahl eingeordnet werden. Das kann in der aktuellen Situation der steigenden Lebensmittelpreise noch weniger gerechtfertigt werden.

Wir fordern, dass von einer Strafverfolgung abgesehen werden soll, wenn sich die Tat auf Lebensmittel bezieht, die vom Eigentümer in einem Abfallbehältnis, welches der Abholung und Beseitigung durch einen Entsorgungsträger dient, deponiert oder anderweitig zur Abholung bereitgestellt wurden.

Antrag: Verteidigung für Mittellose sicherstellen!

Der Anspruch auf eine Verteidigung hängt in Deutschland von vielen Faktoren ab. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2021 wurde fast die Hälfte der Verhandlungen vor den Amtsgerichten ohne Verteidigung geführt. In einem Großteil dieser Verfahren geht es um typische Fälle der Armutskriminalität, die einen sehr kleinen bis manchmal auch gar keinen realen Schaden anrichten. Für die Betroffenen haben die Verurteilungen aber trotzdem oft existenzielle Konsequenzen.

Wir wollen das Recht auf Pflichtverteidigung sowie die Prozesskostenhilfe deutlich ausweiten. Die notwendige Verteidigung muss auf alle Fälle erweitert werden, bei denen zu erwarten ist, dass eine Freiheitsstrafe in Betracht kommt. Auch im Strafbefehlsverfahren soll die notwendige Verteidigung gewährt werden. Nach einer Bedürftigkeitsprüfung sollte jeder und jede ein Recht auf Verteidigung haben. 

Antrag: Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe!

Wer gegenwärtig zu einer Geldstrafe verurteilt wird und diese nicht zahlen kann, muss nach § 43 StGB eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen. In der Praxis werden Ersatzfreiheitsstrafen überwiegend wegen Bagatelldelikten wie dem Fahren ohne Fahrschein oder Ladendiebstählen verhängt. Vor allem ärmere Menschen sind davon betroffen, weil sie nicht in der Lage sind, die hohen Geldstrafen zu bezahlen. Auch erfüllt die Ersatzfreiheitsstrafe in diesen Fällen nicht ihren eigentlichen Zweck als Druckmittel, da der ausgeübte Druck nichts an der Zahlungsunfähigkeit ändert. Wir wollen, dass die Ersatzfreiheitsstrafe komplett gestrichen und die Bestimmung von Geldstrafen am Einbußeprinzip orientiert wird.

Antrag: Armutsbestrafung abschaffen, Unternehmensstrafrecht einführen!

Wir fordern mehr Gleichheit im Strafrecht. Geschätzt befinden sich 56.000 Menschen pro Jahr wegen Bagatelldelikten im Gefängnis, weil sie nicht dazu in der Lage sind, die für sie zu hohen Geldstrafen zu bezahlen. Gleichzeitig dürfen Unternehmen in Deutschland Schäden in Millionenhöhe oder auch Milliardenhöhe anrichten, ohne dafür strafrechtlich belangt zu werden. Die verurteilten Vorstandschefs oder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können die ihnen auferlegten Geldstrafen über den Konzern von der Steuer absetzen.

Für ein Ende der Armutsbestrafung müssen Bagatelldelikte entkriminalisiert werden. Ein Unternehmensstrafrecht soll unter anderem ermöglichen, Gewinne und Vermögen abzuschöpfen, umsatzorientierte Geldsanktionen zu verhängen, Konzessionen und Lizenzen zu entziehen, Unternehmen von öffentlichen Aufträgen auszuschließen und als letztes Mittel Unternehmen aufzulösen.