Minister Friedrich log – Sieben Länder beobachten die Partei geheimdienstlich
Von Uwe Kalbe
DIE LINKE wird in sieben Bundesländern mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht. Damit hat der niedersächsische Verfassungsschutzpräsident am Mittwoch die Katze aus dem Sack gelassen. Bundesinnenminister Friedrich hatte bisher von Beobachtung allein durch Auswertung offener Quellen gesprochen.
In zwölf Ländern sowie im Bund wird die Linkspartei vom Verfassungsschutz beobachtet. Und dann: »Sieben Länder beobachten mit nachrichtendienstlichen Mitteln den ganzen Landesverband oder nur Splittergruppen wie die Kommunistische Plattform.« Mit diesem Eingeständnis hat der oberste Verfassungsschützer in Niedersachsen, Hans-Werner Wargel, am Mittwoch einen Blick auf das Ausmaß des Skandals ermöglicht. Und er hat zugleich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) deutlich korrigiert. Der hatte bisher gesagt, es gebe keine Überwachung mit nachrichtendienstlichen Mitteln, allein offen zugängliche Quellen würden verwendet. Dies wird einer für den heutigen Donnerstag vorgesehenen Aktuellen Stunde zusätzlichen Zündstoff geben. Und auch das: Die Verfassungsschutzakte zu Fraktionschef Gregor Gysi enthält nachrichtendienstlich beschaffte Unterlagen. In einem Schreiben des Bundesinnenministeriums an das Verwaltungsgericht Köln wird erklärt, warum Gysi Teile der Akten vorenthalten wurden und viele Seiten geschwärzt sind. »Bei Blatt 18 bis 24 handelt es sich um eine Übersendung von nachrichtendienstlich beschafften Unterlagen an das BfV«, zitiert dpa aus dem Schreiben.
Bundesinnenminister Friedrich hatte bereits begonnen abzuwiegeln, ihm erschien die ganze Debatte »hochgezogen«. Die Linkspartei, die ja bereits seit 16 Jahren beobachtet werde, sehe offensichtlich einen günstigen Moment gekommen, um sich der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entziehen, sagte er am Mittwoch im Deutschlandfunk. »Aber das wird ihr nicht gelingen.« Vorsitzende Gesine Lötzsch nennt die Äußerungen des Ministers, wohl auch mit Blick auf seinen vorhergegangenen Vergleich mit der Beobachtung der NPD, »unter der geistigen Armutsgrenze«. Friedrich sei dabei, mit dem Holzhammer die Verfassung zu zertrümmern. Immerhin ließ Friedrich am Mittwoch ein klein wenig Bewegung erkennen. Er kündigte eine Überprüfung der Liste der 27 beobachteten Abgeordneten an. Zu den Kriterien für eine Beobachtung gehöre eine herausgehobene Funktion oder Mitgliedschaft in einer »offen extremistischen Teilvereinigung«.
Gysi kann das nicht besänftigen. Kein Abgeordneter der Fraktion sei als extremistisch einzustufen. Gegenüber dem Bundesverfassungsgericht will er auf die Dringlichkeit dort anhängiger Klagen der LINKEN verweisen. Gysi sieht Grund zur besonderen Eile. Die Chancengleichheit der Parteien sei nicht mehr gewahrt, denn es würden nicht nur Wähler der LINKEN abgeschreckt, sondern auch potenzielle Mitglieder, mit Folgen unter anderem für die Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Diese richtet sich auch nach der Summe der Mitgliedsbeiträge.
Neues Deutschland, 26. Januar 2012