Für viele Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden Zuzahlungen fällig. Das betrifft nicht nur Arzneimittel und Krankenhausaufenthalte, sondern auch Krankentransporte, Physio- oder Psychotherapie, Hilfsmittel, Rehabilitation usw.
Was viele nicht mehr wissen: Im Jahr 2004 hat die damalige rot-grüne Bundesregierung gemeinsam mit der CDU/CSU die Zuzahlungen drastisch erhöht. Außerdem wurde die generelle Zuzahlungsbefreiung für Menschen mit geringen Einkommen abgeschafft. Seitdem müssen selbst Hartz-IV-Empfangende, Studierende sowie Rentnerinnen und Rentner zuzahlen. Protest kann sich aber lohnen: So wurde die damals eingeführte Praxisgebühr mit Wirkung vom 01.01.2013 endlich wieder abgeschafft.
Doch alle Argumente gegen die Praxisgebühr treffen auch auf die anderen Zuzahlungen zu:
- Zuzahlungen sind sozial ungerecht. Sie werden als Pauschale berechnet, während das Einkommen zunächst keine Rolle spielt. Die Belastungsgrenze von 2 Prozent (bzw. bei chronisch Kranken 1 Prozent) zur Zuzahlungsbefreiung vom Bruttolohn ist nur scheinbar sozial. Gerade Geringverdienende haben nach Abzug ihrer Lebenshaltungskosten kaum Geld zur freien Verfügung. Ein Abzug von 2 Prozent des Bruttolohns kann schnell zum Abzug von 20 Prozent des frei verfügbaren Einkommens werden. Dann stellt sich schnell die Frage, ob man sich etwas zu essen oder ein Medikament leisten kann. Um genau solche Situationen zu vermeiden, gibt es Krankenkassen und ihr Solidaritätsprinzip. Zuzahlungen höhlen also auch die Legitimation der gesetzlichen Krankenversicherung aus.
- Zuzahlungen steuern die Inanspruchnahme der GKV-Leistungen nicht und wenn, dann in die falsche Richtung. Schon die Praxisgebühr hat die Zahl der Praxisbesuche insgesamt nicht verringert. In wohlhabenden Gegenden gingen die Versicherten häufiger zum Arzt, in ärmeren Gegenden weniger. Die jetzt noch zuzahlungspflichtigen Leistungen werden überwiegend ärztlich verordnet. Wenn man sich an die ärztliche Verordnung hält, wird man finanziell bestraft. Behandlungen finden nicht statt und Krankheiten werden verschleppt. Daher zeigen viele Untersuchungen, dass Zuzahlungen unterm Strich sogar zu höheren Kosten für die Krankenkassen führen. Für die Versicherten bedeutet das höhere Beiträge. Eine lose-lose-Situation!
- Zuzahlungen als Finanzierungsinstrument entlasten einzig die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Denn Zuzahlungen werden ausschließlich von den Versicherten bezahlt. Das höhlt die paritätische Finanzierung aus.
- Zuzahlungsbefreiungen sind bürokratische Monster. Gerade viele ältere Versicherte haben Probleme, die notwendigen Nachweise zu erbringen und Vordrucke korrekt auszufüllen. Nicht wenige verzichten auf die ihnen zustehende Zuzahlungsbefreiung.
- Zuzahlungen verursachen hohe Folgekosten. Das Einziehen der Zuzahlungen durch die Krankenhäuser, Apotheken, Therapiepraxen etc. sowie die Abrechnung mit den Krankenkassen ist teuer und aufwändig. Dieses Geld wäre für die Versorgung besser eingesetzt. Dazu kommt die Verwaltung der Anträge auf Zuzahlungsbefreiung bei den Krankenkassen selbst. Hinzugerechnet werden müssen auch die Folgekosten von aus Kostengründen vermiedenen Behandlungen. Insgesamt ist es mehr als fraglich, ob Zuzahlungen für die Krankenkassen überhaupt mehr Geld einbringen als ihr Einzug und die negativen Auswirkungen auf die Versorgung kostet.
- Auch wenn der Effekt ein ähnlicher ist: Von Zuzahlungen nochmal zu unterscheiden sind medizinisch notwendige Leistungen, die nicht oder nur teilweise von der Kasse übernommen werden, z. B. Brillen oder Zahnersatz. Diese Kosten sorgen für noch mehr Zwei-Klassen-Medizin und übrigens auch für Folgekosten für die Gesellschaft und für die Krankenkasse. Wir fordern: Alles, was gesundheitlich notwendig ist und hilft, muss auch vollständig und in guter Qualität übernommen werden.