Seit 1994 versuchen die Deutsche Bahn (DB), die baden-württembergische Landesregierung und die jeweiligen Bundesregierungen das Großprojekt Stuttgart 21 durchzusetzen. Gegen das Vorhaben entwickelte sich eine breite demokratische Basisbewegung.
Mit dem Projekt Stuttgart 21 („S21“) soll der bisherige Kopfbahnhof durch einen Durchgangsbahnhof mit acht Gleisen im Untergrund ersetzt werden. Die umfangreichen Gleisanlagen im Stadtzentrum sollen dabei in den Untergrund verlagert werden, wofür Tunnelbauten mit einer Gesamtlänge von 70 Kilometern Länge erforderlich sind. Der Fertigstellungstermin verschiebt sich dabei immer weiter nach hinten. Die Kosten für S21 sollten 1994 bei umgerechnet 2 Milliarden Euro liegen; inzwischen ist von mindestens 10 Milliarden Euro auszugehen. Der ehemalige Bahnchef Grube und der heutige Bahnchef Lutz sagten mehrfach, man hätte S21 nicht gebaut, wenn man gewusst hätte, wie es sich entwickelt. Dabei wurde von Seiten der Projektkritiker*innen schon sehr früh auf die unzureichende Kapazität, zahlreiche Probleme beim Bau und bei der Sicherheit des Bahnhofs und der Tunnel sowie auf immense Kostensteigerungen hingewiesen.
Mit dem Projekt S21 verbunden ist das Vorhaben einer teuren Neubau- und Hochgeschwindigkeitsstrecke von Stuttgart über die Schwäbische Alb (NBS Wendlingen – Ulm), die bereits 2022 fertig sein soll. Diese Neubaustrecke ist ein Vorhaben des Bundes, wird jedoch ebenfalls vom Land Baden-Württemberg mitfinanziert. S21 gilt hingegen als „eigenwirtschaftliches Projekt“ der DB, das vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart mit rund 750 Millionen Euro kofinanziert wird.
Beide Projekte sind verkehrspolitisch kontraproduktiv. Gegen S21 spricht neben den immensen Kosten und den nicht kalkulierbaren Risiken aufgrund des unberechenbaren Baugrundes (Gipskeuper) vor allem die Tatsache, dass die Kapazität des Tiefbahnhofs kleiner sein wird als diejenige des bestehenden Kopfbahnhofs. Dies wurde lange bestritten, doch inzwischen wird ein zusätzlicher unterirdischer Kopfbahnhof geplant, um diesen Kapazitätsengpässen zu begegnen. Gegen die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke spricht in erster Linie die Tatsache, dass dort bedingt durch die enorme Steigung nur besonders starke Personenzüge (ICE 3 und 4) und keine herkömmlichen Güterzüge verkehren können. Aber da die Neubaustrecke schon bald fertiggestellt ist, geht es nun darum, sinnvolle Konzepte für ihre Integration in das Netz auch ohne S21 zu finden – was die DB für die drei oder mehr Jahre bis zur Inbetriebnahme von S21 ohnehin tun muss.
Als Resultate der Bewegung gegen S21 wurde nach den Wahlen im Frühjahr 2011 die CDU-geführte Landesregierung durch ein grün-rotes Kabinett ersetzt, seit 2016 und erneut seit der Wahl 2021 regiert Grün-Schwarz. Allerdings wird der von Bündnis 90 / Die Grünen geführten Landesregierung von großen Teilen der Protestbewegung zu Recht vorgeworfen, dass deren Gegnerschaft gegen S21 nur verbal ist und dass sie um des Machterhalts willen ihre Möglichkeiten nicht nutzen, S21 zu verhindern.
Gegen Stuttgart 21 gibt es eine in der Bevölkerung der Landeshauptstadt und im Umland verankerte breite Bewegung, die seit 2010 regelmäßige Montagsdemonstrationen veranstaltet und eine durchgehend besetzte Mahnwache am Hauptbahnhof betreibt. Der wesentliche Träger des Widerstands gegen S21 ist das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, in dem DIE LINKE seit dessen Gründung aktiv ist. Wiederholt wurde aufgezeigt, dass auch jetzt noch ein Stopp des Projektes günstiger als ein Weiterbau ist, und die Fraktion DIE LINKE hat dazu immer wieder Anhörungen im Verkehrsausschuss des Bundestages initiiert. Das Konzept „Umstieg 21“ zeigt außerdem auf, wie die schon gebauten Tunnel und die Baugrube am Bahnhof sinnvoll anders genutzt werden könnten. Wider besseres Wissen wird aber dennoch weiter gebaut, inzwischen ergänzt durch immer weitere Zusatzprojekte, um die Probleme von S21 zu mindern.
Zusätzliche Informationen bietet das Thema Bahn der Zukunft.