Die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit beträgt 11,2 Millionen, wovon ca. 85 Prozent über 18 Jahre alt sind (2019 ca. 9,6 Millionen). Ihre durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt mittlerweile bei 15 Jahren, bei türkischen Staatsangehörigen sogar bei 30 Jahren. Viele Rechte sind an den deutschen Pass gebunden, die für ausländische Staatsangehörige nicht gelten, unabhängig davon, ob sie Beschäftigte, Selbstständige, Rentner oder arbeitslos sind, unabhängig davon, ob sie hier zur Schule gegangen oder hier geboren sind, und ungeachtet der Tatsache, dass auch sie selbstverständlich Steuern und Abgaben zahlen. Ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind die Menschen zudem vom Kernbereich der politischen Mitbestimmung, der Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen ausgeschlossen, eine Ausnahme gilt diesbezüglich nur für EU-Angehörige auf kommunaler Ebene. Und obwohl das Staatsbürgerschaftsrecht vor über 20 Jahren reformiert wurde, stagnieren die Einbürgerungszahlen trotz zunehmender Einwanderung und liegen unter dem EU-Durchschnittswert. Gründe dafür sind, dass in den letzten Jahren zahlreiche Bürden hinzukamen, wie Sprachkenntnisse, Aufenthaltsdauer, Lebensunterhaltsicherung und Einbürgerungstest – all dies übrigens mit den Stimmen der SPD. Schon in rot-grünen Regierungsjahren (seit 2003) sank die Zahl unterhalb des Wertes, der vor der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts erzielt worden war (1999: 143.000, 2018: 112.340). Vor diesem Hintergrund ist es höchste Zeit für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht.
DIE LINKE will deshalb mit einer Einbürgerungsoffensive das Staatsangehörigkeitsrecht öffnen und Einbürgerungen und den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit per Geburt umfassend erleichtern. Wir sehen darin ein Mittel, die Integration zu stärken und Bürgerrechte und Demokratie zu festigen. Nur so wird verhindert, dass die Zahl der Menschen immer größer wird, die rechtmäßig im Land leben, aber von der demokratischen Teilhabe durch Wahlen abgeschnitten sind.
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit soll nicht vom sozialen Status der Betroffenen abhängen, weder vom Geldbeutel, noch von bestimmten Sprachnachweisen. Wie in vielen anderen europäischen Ländern auch, soll eine Einbürgerung im Grundsatz nach fünfjährigem Aufenthalt zu geringen Gebühren möglich sein, abschreckende Tests inStaatsbürgerkunde lehnen wir ab. Alle in Deutschland geborenen Kinder dauerhaft hier lebender ausländischer Staatsangehöriger sollen die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten.
Vor allem muss die doppelte Staatangehörigkeit grundsätzlich akzeptiert werden, wie in den meisten EU-Mitgliedsstaaten. Denn der Zwang zur Aufgabe der Staatsangehörigkeit der Eltern und die Preisgabe eines Teils ihrer Identität stellt für viele Menschen das Haupthindernis bei der Einbürgerung dar. Auch die damit verbundene sogenannte Optionspflicht würde entfallen: Derzeit müssen Kinder ausländischer Eltern, die als Deutsche hier geboren und aufgewachsen sind, sich zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden – wobei zahlreiche Ausnahmen für eine höchst ungleiche Behandlung sorgen. In dem komplizierten Verfahren können Fristversäumnisse oder die Unkenntnis der Rechtslage zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führen. Das ist inakzeptabel.
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