Insbesondere nach den Übergriffen auf Frauen in Köln und anderen Städten in der Silvesternacht 2015 wurden Frauenrechte leider umgehend dazu genutzt, rassistische Vorurteile zu schüren und menschenrechtlich umstrittene Asylrechtsverschärfungen umzusetzen. Aber es gab auch eine Frauenbewegung, die hör- und sichtbar widersprach und das Thema sexualisierte Gewalt gegen Frauen auf die Tagesordnung setzte. Ihr Einsatz hat eine nicht zu unterschätzende Rolle dabei gespielt, dass im Juli 2016 die gesetzliche Verankerung des Grundsatzes „Nein heißt Nein“ einstimmig im Bundestag verabschiedet werden konnte. Das bedeutet, dass nun nicht mehr mit Zwang ein entgegenstehender Wille gebrochen werden muss, damit ein Übergriff unter den Straftatbestand der Vergewaltigung fällt, sondern die Äußerung des entgegenstehenden Willens – in welcher Form auch immer – ausreicht. DIE LINKE tritt nicht häufig für eine Verschärfung des Strafrechts ein, da dies immer nur das letzte mögliche Mittel sein darf. Aber in diesem Falle handelte sich die Gesetzesänderung um einen Paradigmenwechsel und einen wichtigen Fortschritt, da der Grundsatz das sexuelle Selbstbestimmungsrecht als solches als Wert anerkennt und nicht mehr an der Intensität der Gewalt misst, mit der dieses Recht gebrochen wurde. Dieser erste Erfolg war gut und wichtig, aber er reicht bei Weitem noch nicht aus.
Sowohl sexuelle Belästigung als auch Beleidigung und sexualisierte Gewalt gegen Frauen sind nur die Spitze des Eisbergs, sie sind die offensichtlichen Belege eines tiefergehenden strukturellen gesellschaftlichen Sexismus, der in Deutschland traurige Alltagsrealität ist. Sexismus, die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres biologischen und/oder sozialen Geschlechts, hat viele Erscheinungsformen, die nicht immer in gleicher Weise offensichtlich sind, die sich aber oft gegenseitig bedingen und stärken. Sexismus ist ein komplexes und vielschichtiges Problem, das auch einen solchen Lösungsansatz erfordert.
Als Fraktion DIE LINKE haben wir in der Vergangenheit den Antrag „Sexismus die rote Karte zeigen – für einen bundesweiten Aktionsplan gegen Sexismus“ in den Bundestag eingebracht.
Wir wollen einen runden Tisch einrichten, an dem sich Expert*innen aus Theorie und Praxis sowie Politik zusammenfinden, die die verschiedenen Bereiche und ihre Wechselwirkungen behandeln und konkrete Maßnahmen (z. B. Maßnahmen zur Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit, Schulungen für Behörden, Justiz und Polizei oder auch in Bezug auf den Ausbau und monetäre Absicherung des gesamten Hilfesystems für Betroffene von Diskriminierung und Gewalt) ausarbeiten, mit denen präventive Wirkungen erzielt und Folgen von Sexismus und Gewalt gemindert werden. Gebündelt werden diese Maßnahmen in einem bundesweiten Aktionsplan gegen Sexismus, der alle staatlichen Ebenen in die Pflicht nimmt und vor allem auch zivilgesellschaftliche Akteure einbezieht. Denn für den Erfolg solcher Maßnahmen ist von zentraler Bedeutung, dass sie begleitet werden von einem gesellschaftlichen Diskussionsprozess, der Sexismus als strukturelles Problem wahr- und vor allem ernst nimmt.
Um das zu erreichen, ist eine gesamt-gesellschaftliche Debatte über Sexismus und wie er bekämpft werden kann, dringend notwendig.
Ausgrenzung und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität stellt sich die Bundestagsfraktion DIE LINKE entschieden entgegen.