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Saisonbeschäftigte

Themenpapiere der Gruppe

Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa sind unverzichtbar für den Anbau und die Ernte von saisonalen Gemüse- und Obstkulturen, z. B. Spargel oder Erdbeeren, in Deutschland. An die 300.000 Menschen schuften jährlich auf deutschen Feldern. Doch vielfach werden sie unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen – etwa untergebracht in heruntergekommenen und unhygienischen Gemeinschaftsunterkünften – als billige Arbeitskräfte ausgebeutet, Arbeitnehmerrechte wie die Zahlung des Mindestlohns sowie eine korrekte Arbeitszeiterfassung werden ihnen häufig vorenthalten.

Statt die Marktmachtasymmetrie zwischen Erzeugern und Verarbeitungs- bzw. Vermarktungskonzernen konsequent zu korrigieren, wird der Preisdruck auf die vulnerabelste Gruppe verlagert. Ermöglicht wird das durch die sogenannte „kurzfristige Beschäftigung“ – sie darf bis zu 70 Tage im Jahr ausgeübt werden und ist sozialversicherungsfrei. 2020 wurde dieser Zeitraum mit Verweis auf Corona sogar auf 115 Tage ausgeweitet und 2021 erneut auf 102 Tage. Voraussetzung dafür ist, dass diese Arbeit durch den Arbeitnehmenden „nicht berufsmäßig“ ausgeübt wird und nur eine wirtschaftlich untergeordnete Einkommensquelle ist. Überprüft wird das jedoch kaum und die Vermutung liegt nahe, dass die Saisonarbeit in den meisten Fällen zur Haupteinnahmequelle geworden ist. Aus der Ausnahmeregelung, die ursprünglich nur für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende gedacht war, wird so der Regelfall sozial ungesicherter Arbeitsverhältnisse.

In der Folge hatten viele ausländische Saisonarbeitskräfte keinerlei Krankenversicherungsschutz – und das während der Coronapandemie. Zum 1. Januar 2022 wurde nun eine Nachweispflicht eingeführt: Der Arbeitgeber muss bei der Meldung der kurzfristig Beschäftigten bei der Minijobzentrale angeben, wie diese währenddessen krankenversichert sind. Oft schließen die Arbeitgeber private Gruppenversicherung speziell für Saisonarbeitskräfte ab. Ihr Leistungsspektrum ist stark eingeschränkt und oft nicht ausreichend, es gibt keine gesetzlich vorgegebene Mindestabsicherung. Der Koalitionsvertrag verspricht einen „vollen Krankenversicherungsschutz“ – die Koalitionäre sind sich bisher jedoch nicht einig, was sie genau darunter verstehen. Hinzu kommt, dass Saisonbeschäftigte durch dieses Arbeitsverhältnis auch nach langjährigem Einsatz auf deutschen Feldern keine Rentenansprüche aufbauen.

Die Fraktion DIE LINKE fordert:

  • Saisonarbeitskräfte müssen unabhängig von der Beschäftigungsdauer ab dem ersten Einsatztag der vollen Sozialversicherungspflicht unterliegen;
  • die Arbeitszeit ist tagesaktuell, elektronisch und manipulationssicher aufzuzeichnen;
  • in Absprache mit den Bundesländern müssen mehr Kontrollen der Arbeits-, Unterbringungs- und Entlohnungsbedingungen durchgeführt und eklatante Verstöße wirksam und abschreckend sanktioniert werden;
  • die Erntehelferinnen und -helfer sind bei Einreise in der Heimatsprache über deren Rechte und die Info-Hotline des Projekts Faire Mobilität zu informieren;
  • Gewerkschaften sowie deren Beratungsstellen erhalten ungehindert Zutritt zu den Betrieben und den Unterbringungseinrichtungen, um Beschäftigte beraten und über ihre Rechte informieren zu können;
  • für die private Arbeitsvermittlung von Arbeitskräften nach Deutschland mit Sitz im In- und Ausland sollen verbindliche Qualitätsstandards und ein Zertifizierungssystem entwickelt werden.

Antrag: "Voller Sozialversicherungsschutz für ausländische Saisonarbeitskräfte" von 2022.