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PKW-Maut / Infrastrukturabgabe

Themenpapiere der Gruppe

Eine Pkw-Maut wird insbesondere von der CDU/CSU, aber auch von anderen Parteien immer wieder als Vorschlag zur Verkehrspolitik vorgetragen. Angeblich würden durch die „Umstellung von einer Steuerfinanzierung auf eine Nutzerfinanzierung“ eine ökologische Wirkung erzielt und der Investitionshaushalt für Verkehrswege unabhängig von den allgemeinen Steuereinnahmen gesichert werden. Alle bisherigen Modelle einer deutschen Pkw-Maut entbehrten jedoch sowohl einer ökologischen Lenkungswirkung als auch einer sozialen Komponente und sind darüber hinaus mit einer grundsätzlichen Verschiebung des Bundeshaushalts zugunsten fragwürdiger Verkehrsbauten verbunden. Die 2019 gescheiterten Maut-Verträge werden allerdings von den regierenden Parteien eher als betriebswirtschaftlicher Unfall gehandhabt, statt sie einer tiefgreifenden Kritik zu unterziehen.

DIE LINKE im Bundestag lehnt eine Pkw-Maut grundsätzlich ab!

Auf Druck der CSU wurde im Koalitionsvertrag von 2013 eine so genannte Infrastrukturabgabe verankert, die für die Koalitionen zwischen CDU/CSU und SPD seitdem als Grundlage für die 2015 erlassenen und 2017 modifizierten Pkw-Mautgesetze galt. Diese Pkw-Maut, bekannt auch als „Ausländer-Maut“ wurde 2019 vom Europäischen Gerichtshof als diskriminierend und mit EU-Recht unvereinbar zurückgewiesen. Die Maut sollte nämlich nur von ausländischen Kfz-Halter:innen bezahlt werden, während deutsche Kfz-Halter:innen über die Kfz-Steuer die Mautzahlungen rückerstattet bekämen. Für die Maut-Erhebung sollte ein privates Konsortium mit dieser hoheitlichen Aufgabe betraut werden, wozu ein entsprechender Betreibervertrag aufgrund einer europaweiten Ausschreibung an ein Konsortium aus der österreichischen KapschTrafficCom und der deutschen EVENTIM im Dezember 2018 vergeben wurde.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am 18. Juni 2019 hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer noch am selben Tag diesen Vertrag gekündigt. Da für den Fall eines negativen Urteils eine Entschädigungsregelung vertraglich festgelegt war, die dem unternehmerischen Gewinn für die zwölf Jahr Laufzeit nahezu entsprochen hätte, fällt sowohl die übereilte Unterzeichnung des Betreibervertrags vor einer rechtlichen Klärung der EU-Rechtskonformität als auch die überhastete Kündigung des Vertrages zulasten hoher Zahlungen aus dem Bundeshaushalt an das private Konsortium in die Verantwortung von Minister Scheuer. Die voraussichtliche Schadenssumme wird auf ca. 560 Millionen Euro geschätzt, hinzu kommen schon verausgabte Summen von etwa 80 Millionen Euro und Aufwendungen für Rechtsberatung im anstehenden Schiedsverfahren in bisher unbekannter Höhe. Um alle Sachverhalte und Vorgänge aus dem Maut-Desaster zu klären, wurde mit Beschluss des Bundestages im November 2019 ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Maut eingerichtet, der seinen Abschlussbericht im Juni 2021 vorlegte.

Trotz seiner erschütternden Fehlleistungen hielt Minister Scheuer mit Unterstützung der Koalition an seinem Ministersessel fest. Im gemeinsamen Sondervotum der Fraktionen FDP, DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen wurde eine Fülle von Tatsachen aufgedeckt, die für mehrere Rücktritte gereicht hätten und auch die Fehlleistungen des ehemaligen Verkehrsministers Dobrindt belegen. Ohne den Untersuchungsausschuss wären viele dieser Tatsachen unbekannt geblieben. Einige davon sind:

  • Die Mautgesetze waren von vornherein europarechtswidrig. Auch nach ihrer Änderung 2017 hat sich an diesem Sachverhalt nichts geändert. Die Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission 2017 wurde dem Bundestag und der Öffentlichkeit als angebliche Bestätigung der EU-Rechtskonformität dargestellt, was es niemals gewesen ist.
  • Die Verträge wurden vergaberechtswidrig mit einem Konsortium abgeschlossen, dessen Angebot schlecht und unwirtschaftlich war, das aber der einzige Bieter war, der das wusste und diesen Umstand ausnutzte.
  • Um einen politischen Erfolg der CSU einzufahren, wurde ein Vertrag abgeschlossen, in dem die Übernahme erheblicher finanzieller und sachlicher Bestandteile durch den Bund verankert war, um den Bundestag über die eigentlichen Kosten der Maut-Geisterfahrt zu täuschen. Gegen das Haushaltsrecht wurde absichtsvoll verstoßen.
  • Das Verkehrsministerium hat sich bei den Verträgen von den juristischen und sonstigen Beratern abhängig gemacht. Das Ministerium war nicht einmal in der Lage, Kleine Anfragen im Bundestag ohne Berater zu beantworten, die dafür fürstlich entlohnt wurden.
  • Die Verstaatlichung der Toll Collect GmbH war Hebel und Instrument, um dem privaten Betreiberkonsortium ein lukratives Geschäft zuzuschanzen.
  • Das Bieterkonsortium wollte seine Alleinstellung für einen höheren Vertragsabschluss ausnutzen und hat deshalb im November 2018 angeboten, mit der Unterschrift bis nach dem EuGH-Urteil zu warten. Dieses Angebot haben Scheuer und Schulz geleugnet und den Bundestag mindestens zu täuschen versucht.
  • Minister Scheuer hat sein Ministerium missbraucht als eine Werbeagentur in eigener Sache. Der Ausschuss konnte nicht klären, ob Scheuer die tatsächlichen, desaströsen Bestandteile der Verträge vor und nach der Unterzeichnung nicht kannte, nicht kennen wollte oder bewusst in Kauf nahm. Scheuer legte Wert darauf, schriftliche Nachweise seines Versagens gar nicht erst entstehen zu lassen und bevorzugte private Kommunikationswege. Er ließ damit jede Akten- und Registrierungsordnung zu einem Witz verkommen. Jeder Pförtner würde für so schlampige Dokumentation sofort entlassen werden.
  • Und zum Höhepunkt entschied Scheuer über eine Kündigung, die einer Prüfung vor einem Gericht welcher Art auch immer nicht standhalten kann. Wieder zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Nur aus dem Impuls heraus, sich in die Büsche schlagen zu wollen, statt Verantwortung zu übernehmen.

Die finanziellen Folgen der Kündigung werden erst nach Abschluss eines der Öffentlichkeit und dem Bundestag nicht zugänglichen Schiedsverfahrens bekannt werden.

Das Pkw-Mautdebakel hat einen massiven Vertrauensbruch gegenüber der Regierung mit sich gebracht und steht am Ende der Ära Merkel als Versagen der gesamten Regierung und ihrer sie tragenden Koalition. Für die von Anfang an ausländische Kfz-Halter diskriminierenden Maut-Pläne hat bis heute niemand aus der CSU die Verantwortung übernommen.

Die Fraktion DIE LINKE hat das „Modethema“ Pkw-Maut, das immer mal wieder lanciert wird, stets abgelehnt. Eine Pkw-Maut würde insbesondere Pendlerinnen und Pendler besonders hart treffen, also diejenigen, die zur Sicherung ihrer Mobilität auf ein Kfz angewiesen sind. Eine Maut in den bisherigen Modellen hätte generell eine Verteuerung der privaten Mobilität zur Folge ohne Alternativen anzubieten. Sie würde zu einer Verschärfung der sozialen Spaltung im Mobilitätsverhalten breiter Bevölkerungsgruppen führen. Eine ökologische Lenkungswirkung ließe sich so im Übrigen nicht erzielen. Hinzu kämen gravierende Probleme im Datenschutz, denn eine Pkw-Maut ermöglichte die Erstellung von Bewegungsprofilen. Statt auf fragwürdige Geldeintreibungskonzepte setzt die Fraktion DIE LINKE auf steuerfinanzierte Instandhaltung der Verkehrswege in Deutschland und vordinglich auf den umfassenden Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und des Schienenverkehrs.

Siehe auch den Antrag der Fraktion DIE LINKE „Keine Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland“ und den Entschließungsantrag im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.


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