Die herrschende Linie der Politik der „Inneren Sicherheit“ zeigt sich in den letzten Jahren immer wieder ganz deutlich. Einzelne aufsehenerregende Ereignisse werden zu Symbolen einer umfassenden Bedrohung „unserer“ Sicherheit aufgebauscht. Daran beteiligt sind Politiker, Medien und Berufsvertreter, die die Ängste der Bürgerinnen und Bürger bewirtschaften wollen – für mehr Stimmen bei den nächsten Wahlen, für höhere Auflagen, für mehr Klicks, mehr Stellen und Ressourcen für Sicherheitsbehörden. Gesetze werden verschärft, Strafandrohungen erhöht, Behörden mit mehr und neuen Befugnissen ausgestattet. Beim nächsten Anschlag, der nächsten Story über Terroristen und Kriminelle, der nächsten Empörungswelle werden die nächsten Forderungen formuliert.
Dabei haben Verunsicherung und Angst ihre Ursache nicht in steigender Kriminalität. Im Gegenteil: seit vielen Jahren sinkt die Gewaltkriminalität. Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist so niedrige Zahlen auf, wie zuletzt vor dreißig Jahren. Studien zum Dunkelfeld von Kriminalität zeigen, dass immer weniger Menschen in den vergangenen Jahren selbst Opfer von Straftaten geworden sind. Trotzdem steigt die Furcht, in nächster Zeit Opfer zu werden. Woran liegt das?
Die letzten 30 Jahre haben einen immer weitergehenden Abbau des Staates auf allen Ebenen gesehen. Der öffentliche Raum verödet im Schatten der Einkaufszentren. Globalisierung und die politisch gewollte Standortkonkurrenz sorgen für ökonomische Unsicherheit. Diese kaum greifbare und abstrakte Unsicherheit findet in der Furcht vor Kriminalität ein Ventil. Kriminelle geben der Angst ein Gesicht. Mit Gesetzesverschärfungen und „mehr Polizei“ zeigt der Staat eine Handlungsfähigkeit, die er in wirtschaftlichen und sozialen Fragen längst aufgegeben hat.
Die beste Politik für mehr Sicherheit ist eine gute Sozialpolitik und die Stärkung des Öffentlichen. Lebendige Kommunen und Stadtviertel, in der alle Menschen Anlaufpunkte für ihre Alltagsprobleme finden, vermitteln zugleich ein Gefühl der Sicherheit. Wo gegen Gewalt und Angriffe nur noch die Polizei helfen kann, muss sie erreichbar und schnell vor Ort sein. Eine solche bürgernahe Polizei muss von Aufgaben entlastet werden: der Verfolgung von Bagatelldelikten wie Schwarzfahren, „Containern“ oder dem individuellen Drogenkonsum. Im Kampf gegen unternehmerisch betriebene Kriminalität – oder „Organisierte Kriminalität“ – müssen die Opfer gestärkt werden, Mitläufern eine Ausstiegsperspektive gegeben werden, Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug schmälern die Gewinne. Unsichere Räume – dunkle Parks und Gassen, verfallende Straßenzüge, verwinkelte Anlagen – müssen unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger neu gestaltet werden. Für Krisen und Katastrophen müssen Freiwillige Feuerwehren, Hilfsorganisationen und THW gestärkt und unterstützt werden – durch bessere Ausstattung und die Stärkung des Ehrenamts. „Öffentliche Sicherheit“ meint nicht nur die Abwesenheit von Kriminalität, sondern die Zuversicht, mit den Risiken des Lebens sicher umgehen zu können.