Zum Hauptinhalt springen

Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII)

Themenpapiere der Gruppe

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) beinhaltet umfangreiche Leistungen und Angebote, die junge Menschen und Familien beim Aufwachsen begleiten. Das bekannteste ist die Kita. Aber auch Jugendzentren, Schülerclubs, Familienberatungsstellen, Strukturen des Kinderschutzes, Jugendsozialarbeit, Schulsozialarbeit, Förderung von Jugendverbänden, Jugendbildung, Familienzentren, Ferienfreizeiten sowie umfangreiche Unterstützungssysteme für Familien in Krisensituationen bis hin zu Pflegefamilien, Kinderheimen und Jugendwohngruppen gehören in den Aufgabenkatalog des SGB VIII. Diese Angebote greifen in den vielfältigen Prozessen des Aufwachsens von Kindern wie Zahnräder ineinander und bieten umfassenden Halt im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Eine Besonderheit des Kinder- und Jugendhilfegesetz ist, dass die Kommunen mit ihren Jugendämtern die Umsetzung verantworten und auch die Kosten tragen müssen. Dabei werden sie je nach Landesausführungsgesetzen unterschiedlich durch die Länder unterstützt. Durch einen Ausbau der Leistungen kam es in den letzten Jahren zu massiven Kostensteigerungen. Größter Kostentreiber ist die Kinderbetreuung gefolgt vom Kinderschutz. Die Verweigerung des Bundes, sich an diesen Kosten angemessen zu beteiligen, erhöhte vor Ort den Druck, Einsparpotentiale in der Kinder- und Jugendhilfe auszuloten. Angebote, die zu „freiwilligen Leistungen“ erklärt wurden wie Jugendzentren oder Ferienfreizeiten, fielen häufig Sparrunden zum Opfer. Als nächstes wurden zusehends „harte Rechtsansprüche“ wie Unterstützung für Familien in Krisensituationen restriktiver gewährt oder versagt. Dementsprechend unterschiedlich erfolgt die Umsetzung. Dies geht zu Lasten von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. In Folge der aktuellen Inflation hat jede sechste Kommune angekündigt, im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe Einsparungen vornehmen zu wollen.

Kurz vor dem Ende der 19. Wahlperiode im Mai 2021 reklamierte die schwarz-rote Bundesregierung einen Erfolg für sich: Nach über 10 Jahren gegen zunächst harten Widerstand wurde das Kinder- und Jugendhilfegesetz mit dem sogenannten „Kinder- und Jugendstärkungsgesetz“ umfassend reformiert bzw. deformiert. Bestehende teils nicht gesetzeskonforme Umsetzungspraktiken wurden legalisiert. Im Kinderschutz wurden Meldepflichten initiiert, die einen Rückschritt zum überwundenen Jugendwohlfahrtsgesetz beinhalten. Fachkräften wird an vielen Stellen misstraut und bürokratische Elemente der Überwachung werden gestärkt. Trotz Corona und eingeschränkten Beteiligungsmöglichkeiten inkl. zusehender Überlastung der Fachkräfte hat die Bundesregierung diese hochumstrittenen Vorhaben durchgepeitscht.

DIE LINKE hat sich daher gegen diese Reform ausgesprochen. Eine Reform muss Verbesserungen beinhalten, Rechtsansprüche für die Betroffenen stärken und die Situation für die Beschäftigten verbessern. Die bestehenden Defizite im System müssen dabei in den Blick genommen werden. Das ist nicht geschehen. Die Kritiker:innen dieser Reform wurden konsequent ignoriert ebenso wie die Kritik, die gar von Befürworter:innen der Reform bis zum Ende der Debatte geäußert wurde. Was zurückbleibt, ist eine zutiefst verunsicherte Fachwelt, die die Komplexität der Vorhaben nun verstehen und umsetzen muss unter erschwerten Bedingungen eines eklatanten Fachkräftemangels.

Dank umfassender Öffnungsklauseln im Gesetz verlagern sich nun die über zehnjährigen fachlichen Auseinandersetzungen auf der Bundesebene auf die kommunale Umsetzungspraxis. Hier wird es darum gehen, die Interessen von Kindern und Jugendlichen nach einer gut und breit aufgestellten Kinder- und Jugendhilfe auf hohem fachlichem Niveau unter erschwerten Rahmenbedingungen zu verteidigen.

Dennoch, der lange Kampf um diese Reform hat sich gelohnt: Die Bundesregierung musste ihre Pläne mehrfach zurückstellen und abschwächen sowie an anderen Stellen Zugeständnisse unterbreiten. Insofern enthält die Reform auch progressive Elemente wie z. B. die Ombudstellen oder einen eigenständigen Beratungsanspruch für Kinder und Jugendliche, wofür sich neben zahlreichen Akteuren auch DIE LINKE im Bundestag sei langem eingesetzt hat. Gleichzeitig wird mit der inklusiven Ausgestaltung an der nächsten grundlegenden Reform gearbeitet.

Die Kinder- und Jugendhilfe steht vor enormen Herausforderungen. Die Coronakrise hat gezeigt, wie anfällig die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe sind. Die Schließung zahlreicher Angebote und Leistungen, der Wegfall von Kinderbetreuung, Familienzentren, Freizeiteinrichtungen und Schulen hat den familiären Alltag auf den Kopf gestellt. Im Ergebnis wurden Millionen Familien auf sich selbst zurückgeworfen. Das ist besonders hart für die vielen Familien, die ihre engen Wohnungen nur eingeschränkt verlassen dürfen, von Armut bedroht oder betroffen sind oder sich in einer Krise befinden. Die soziale Spaltung unserer Gesellschaft trat hier besonders zu Tage. Die langfristigen Folgen der Coronakrise werden auch zusehends sichtbar, so z. B. in Form von steigenden Unterstützungsbedarfen oder Schulabstinenz. Daher ist es umso wichtiger, dass die Kinder- und Jugendhilfe ein verlässlicher Partner an der Seite der Familien bleibt und auch unter erschwerten Bedingungen voll funktionsfähig ist. Dafür muss die Kinder- und Jugendhilfe, die seit Jahren unterfinanziert ist, dringend gestärkt und ausgebaut werden. Die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden, um den Fachkräftemangel abzumildern. Den Bund werden wir weiterhin in die Pflicht nehmen.