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Gewalt gegen Frauen

Themenpapiere der Gruppe

In Deutschland wird alle zweieinhalb Tage eine Frau durch ihren Partner oder Expartner ermordet und jede Stunde werden im Durchschnitt 13 Frauen Opfer von Gewalt in ihrer Partnerschaft. Das sind die Zahlen, die die jährlich erscheinende kriminalistische Auswertung von Partnerschaftsgewalt für das Jahr 2020 ergab. Das Dunkelfeld dürfte dabei noch wesentlich höher sein und die Zahlen, die sich auf Gewalttaten gegen Frauen außerhalb ihrer Beziehung beziehen, sind dabei nicht inbegriffen, denn aktuelle Zahlen zum Dunkelfeld, zu digitaler Gewalt oder auch zu Tötungsdelikten gegen Frauen außerhalb von Beziehungen gibt es nicht.

Gewalt gegenüber Frauen, allem voran im häuslichen Bereich, ist noch immer ein großes Problem in Deutschland und somit auch ein wesentlicher Faktor bei der Verhinderung der Gleichstellung der Geschlechter. Besorgniserregend ist, dass nach den neuesten Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik die Gewalt an Frauen in Deutschland erheblich zugenommen hat, zumindest im Bereich der häuslichen Gewalt. So wurden der Statistik nach im Jahr 2020 146.655 Personen erfasst, die Opfer von Gewalt in Partnerschaften wurden, davon waren 119.164 weiblich. 80,5 Prozent der Partnerschaftsdelikte richten sich gegen Frauen.

Es ist nicht zuletzt das im Grundgesetz verankerte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das die staatliche Schutzpflicht begründet. Sowohl durch das Grundgesetz als auch durch internationale Abkommen wie zum Beispiel die Istanbul-Konvention muss der Staat dafür Sorge tragen, Frauen vor Gewalt zu schützen, tut es aber nicht genügend. Weder stellt er ausreichende Gelder für vielfältige Präventionsprogramme, noch für eine ausreichende Zahl von Beratungsstellen und Frauenhäuser, noch für deren bedarfsgerechte Ausstattung zur Verfügung.

Obwohl die rechtlich bindende Istanbul-Konvention, das „Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, bereits seit 1. Februar 2018 in Deutschland in Kraft ist, ist bisher noch viel zu wenig zu ihrer Umsetzung geschehen. Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention ist Deutschland z. B. dazu verpflichtet, umfassende Daten zu Gewalt an Frauen zu erheben und das Gewaltschutzsystem umfassend auszubauen. Zudem erfordert die Umsetzung der Konvention von der Bundesregierung nicht nur zahlreiche Verbesserungen für den Schutz und die Unterstützung von Menschen, die von Gewalt betroffen sind, sondern auch das Schaffen einer umfassenden Struktur für die Umsetzung der Konvention. Dazu gehören die Einrichtung von Koordinierungs- und Monitoring-Stellen, das Erstellen von Aktionsplänen, die Evaluierung von Maßnahmen und die Einbeziehung der Zivilgesellschaft.

Ein zentraler Punkt bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Deutschland liegt mit darin, dass der Bund sich seit Jahrzehnten aus der Verantwortung zieht und regional sehr unterschiedliche Finanzierungsregelungen bestehen. Nur ein geringer Teil bestehenden Frauenhäuser ist pauschal finanziert. Der weit größere Anteil der Frauenhäuser wird durch freiwillige Leistungen von Ländern und Kommunen (abhängig von der jeweiligen Regierung und Haushaltslage), Eigenmittel der Träger (z. B. Spenden) und – teils auch ausschließlich – aus sogenannten Tagessätzen finanziert. Bei der Tagessatzfinanzierung werden die Kosten auf die Bewohnerinnen umgelegt: für sozialleistungsberechtigte Frauen werden je nach Bundesland Tagessätze auf Grundlage des SGB II oder SGB XII gezahlt, alle anderen müssen selbst für den Aufenthalt im Frauenhaus aufkommen. Das betrifft Frauen mit eigenem Einkommen, ebenso wie Schüler*innen, Student*innen oder geflüchtete Frauen „ohne Papiere“. Diese Art der Finanzierung führt zu einer Überforderung der Kommunen und einer großen Unsicherheit für die Frauenhäuser selbst. Die Finanzierung sollte daher zwischen Bund, Ländern und Kommunen sachgerecht aufgeteilt und dauerhaft gesichert werden.

Aber nicht nur die Anzahl der Frauenhäuser ist ein Problem, sondern auch die Ausstattung entspricht nicht dem Bedarf: Für Frauen mit Behinderung gibt es nur sehr wenige ausreichend barrierefreie Einrichtungen zu finden. Dabei sind sie eine besonders vulnerable Gruppe. Neuere Studien belegen, dass die Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigen noch weit größer ist als in der Durchschnittsbevölkerung. Neben einer direkten personalen Gewalt sind sie den vielfältigsten Formen von Diskriminierung sowie von struktureller Gewalt betroffen. Diese erfolgt sowohl in Privathaushalten wie in Einrichtungen.

Gewalt gegen Frauen ist dabei nur die Spitze des Eisbergs, sie sind die offensichtlichen Belege eines tiefergehenden gesellschaftlichen Sexismus, der in seinen vielen Erscheinungsformen angegangen werden muss, wenn wirksame und langfristige Prävention erreicht werden will.

Die Fraktion DIE LINKE fordert daher:

  • Die Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, muss konsequent und vollständig umgesetzt werden. Die durch die Bundesregierung bei der Ratifizierung vorgenommenen Einschränkungen müssen zurückgenommen werden, damit zahlreichen geflüchteten oder migrierten Frauen nicht der Zugang zu Schutz verweigert wird.
  • Um die Gewalt gegen Frauen und Kinder zu bekämpfen, braucht es endlich eine Vollfinanzierung von Frauenberatungsstellen und -notrufen, ausreichend Frauenhausplätze und Präventionsprogramme für gewalttätige Männer. Die Finanzierung von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen darf nicht länger eine freiwillige Leistung sein. Hier brauchen wir eine bundeseinheitliche Pauschalfinanzierung, an der sich der Bund beteiligt.
  • Gewalt gegen die Mutter gefährdet massiv das Kindeswohl und kann für Mütter und Kinder lebensgefährlich sein. Bei Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht muss Gewaltschutz oberste Priorität haben.
  • Staatliche Behörden wie Polizei, Gerichte und Ämter sowie medizinisches Personal müssen für geschlechtsspezifische Gewalt – auch in digitaler Form – sensibilisiert werden. Es müssen explizit alternative (Erst-)Anlaufstellen zur Polizei in Form von Nichtregierungsorganisationen geschaffen und finanziert werden, an die sich Betroffene wenden können.
  • Geflüchtete Frauen, die von Gewalt in der Partnerschaft betroffen sind, brauchen eigenständiges vom gewalttätigen Partner unabhängiges Aufenthaltsrecht.
  • Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft müssen bekämpft werden, ohne die Betroffenen zu kriminalisieren und zu stigmatisieren! Solange die Betroffenen keinen sicheren und eigenständigen Aufenthaltsstatus erhalten, sind die Täter durch die Angst der Opfer geschützt.