„Die machen ja doch, was sie wollen“ – mit der Betonung auf „sie“ fasst diese populäre Meinung eine weit verbreitete Kritik am repräsentativen, parlamentarischen System zusammen. Einmal in vier Jahren gewählt, können Parlament und Regierung – von Meinungsumfragen abgesehen – fast ungestört von Wählerinnen und Wählern weitreichende Entscheidungen für deren Gegenwart und Zukunft treffen. Stabile Mehrheitsmeinungen in der Bevölkerung zum Beispiel gegen Krieg oder Militäreinsätze können die Regierungspolitik unmittelbar nicht beeinflussen.
Sinkende Wahlbeteiligung und sogenannte Politikverdrossenheit sind auch Ergebnis vollkommen ungenügender Einflussmöglichkeiten auf politische Entscheidungen.
Die repräsentative, parlamentarische Demokratie ist weder das letzte Wort des Grundgesetzes noch der Demokratie-Geschichte. Sie ist zu verbessern und weiterzuentwickeln durch Einführung von Elementen der direkten Demokratie und besserer Kontrollmöglichkeiten für Regierungshandeln. Demokratie darf sich nicht nur in Wahlen erschöpfen. Das Grundgesetz bestimmt, dass das Volk seine Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen ausübt (Art.20 Absatz 2 GG). Diese Möglichkeiten gibt es in der Bundesrepublik Deutschland aber nur auf kommunaler Ebene und in den Ländern, für die Bundespolitik praktisch überhaupt nicht.
Die Einführung von Elementen direkter Demokratie können natürlich die politischen, sozialen und ökonomischen Mängel unserer Gesellschaft nicht beheben. Sie erweitern aber den Einfluss der Bevölkerung auf politische Entscheidungen – und das ist dringend notwendig. Demokratie ist kein »fertiger« Zustand; Demokratie muss Tag für Tag von Bürgerinnen und Bürgern gelebt werden, sie muss aber auch gelebt werden können: auf allen Ebenen und in allen Bereichen – europäische, internationale wie kommunale Ebene bis hin zur Wirtschaft in der Kommune.
Die Möglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger Politik direkt zu beeinflussen, müssen deshalb erweitert und auch auf die Bundesebene übertragen werden. DIE LINKE im Bundestag fordert daher folgende Eckpunkte für direkte Demokratie:
Im ersten Schritt können Gesetzesvorlagen und Gegenstände der politischen Willensbildung durch eine Volksinitiative von 100.000 Wahlberechtigten beim Deutschen Bundestag eingereicht werden.
Für den zweiten Schritt – das Volksbegehren – bedarf es einer Zustimmung von einer Million Wahlberechtigten innerhalb von neun Monaten (zwei Millionen bei Grundgesetzänderung). Entspricht der Deutsche Bundestag nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten dem Volksbegehren, so findet als dritter Schritt ein Volksentscheid statt, über den die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger abstimmen und der bei Erfolg, das heißt Mehrheit der abgegebenen Stimmen, auch für den Bundestag bindend ist.
Mittlerweile sind neben die Forderung nach Volksentscheiden auch Konzepte für mehr Bürgerbeteiligung durch so genannte „Bürgerräte“ getreten. Diese werden durch Losverfahren bestimmt und repräsentieren so alle Bevölkerungsgruppen. Bedauerlich ist, dass diese Idee manchmal gegen die direkte Demokratie diskutiert wird. Aus unserer Sicht sollten sich beide Elemente ergänzen: Bürgerräte können Volksbegehren sinnvoll vorbereiten. Denn erst durch den Volksentscheid erhalten die Vorschläge der Bürgerräte echte demokratische Legitimation.